Hast du zufällig einmal mitgezählt wie oft du schon gestolpert bist? Nein? Ich auch nicht. Warum? Weil wir uns dessen nicht bewusst sind, da in den meisten Fällen nichts passiert. Das verdanken wir unserem Körper, der innerhalb von Milisekunden in der Lage ist uns abzufangen und damit einen möglichen Sturz zu verhindern. Was für uns belanglos erscheint, ist allerdings gar nicht so selbstverständlich. Gerade mit zunehmendem Alter lässt die Koordination nach, die Sturzgefahr steigt. Du siehst also: es ist durchaus sinnvoll, dass wir unser Gleichgewicht trainieren.
INHALT
Was ist Koordination?
Unter Koordination verstehen wir steuernde und regulierende Fähigkeiten. Die Muskulatur arbeitet sehr eng mit dem peripheren und zentralen Nervensystem sowie den Sinnesorganen zusammen. Dadurch sind wir in der Lage unsere Bewegungsabläufe zeitlich und räumlich aufeinander abzustimmen.
Insgesamt lassen sich sieben verschiedene koordinative Prozesse unterscheiden. Dazu gehören: die Steuerungsfähigkeit, die Kombinationsfähigkeit, die Reaktionsfähigkeit, die Orientierungsfähigkeit, die Anpassungsfähigkeit, die Rhythmisierungsfähigkeit und die Gleichgewichtsfähigkeit.
Warum ist eine gute Koordination wichtig?
Je besser deine Koordination, umso effektiver deine Bewegungsabläufe. Mit anderen Worten: du musst dich weniger anstrengen, dein Körper verbraucht weniger Sauerstoff und du hast mehr Energie zur Verfügung. Letzten Endes gebrauchst du an einem Tag deine koordinativen Fähigkeiten extrem häufig. Das beginnt bereits, wenn du deine Kaffeetasse zum Esstisch balancierst, wenn du Fahrrad fährst, die Schuhe zubindest, einen Wasserkasten trägst usw.
Damit unser Körper während der Bewegungen nicht aus dem Gleichgewicht gerät, arbeiten unser Innenohr und die Augen sehr eng mit dem Gehirn und der Skelettmuskulatur zusammen. Unsere Muskeln korrigieren permanent unsere Position und halten uns aufrecht. Das Geniale daran: All das läuft unbewusst ab. Wir müssen uns darauf nicht konzentrieren.
Warum das Gleichgewicht trainieren?
Selbst, wenn die Vorgänge automatisch ablaufen – es lohnt allemal, dass wir regelmäßig unser Gleichgewicht trainieren. Stell dir vor du stehst in einem Bus, der plötzlich unerwartet bremst. Dann ist es von großem Vorteil, wenn du einen perfekt funktionierenden Gleichgewichtssinn hast. So verhinderst du im Alltag Stürze und Verletzungen. Du vermeidest damit Fehlhaltungen und muskuläre Dysbalancen, die irgendwann zu Schmerzen und Bewegungseinschränkungen führen können. Schließlich wollen wir auch bis ins hohe Alter fit und flexibel bleiben, nicht wahr?
Doch auch im Kraftsport ist eine gute Koordination von Vorteil. So kannst du mehr Gewicht bewegen, die Technik verbessern und optimale Progression erzielen.
Wer sollte das Gleichgewicht trainieren?
Klare Antwort: jede/r von uns! Gerade mit zunehmendem Alter laufen kognitive Prozesse langsamer ab. Je eher du mit dem Training beginnst, umso besser. Warum? Weil du dadurch die sogenannte Muscle-Mind-Connection (Verbindung zwischen Gehirn und Muskulatur) schulst. So reduzierst du Gangunsicherheit, Stürze und Verletzungen.
Top 5 Yoga Übungen, die dein Gleichgewicht trainieren
Yoga Übungen wirken immer auf verschiedenen Ebenen. Nicht nur dein Körper profitiert von den positiven Effekten. Sie beeinflussen uns auch auf energetischer und geistiger Ebene.
Der Baum ist eine einfache Gleichgewichtsübung für Einsteiger. Die Herausforderung besteht darin einen guten Mittelweg zu finden zwischen Flexibilität und Stabilität. Die Übung lehrt uns die Turbulenzen des Lebens anzunehmen, aber ihnen dennoch zu trotzen.
Anleitung
Begib dich zuerst in eine stabile Standposition. Dann verlagere dein Gewicht auf den rechten Fuß, um den linken vom Boden zu lösen. Fixiere dabei einen starren Punkt an der Wand in Augenhöhe. Deinen Fuß lehnst du anschließend an den Knöchel, die Wade oder das Hüftgelenk des Standbeins. Lege anschließend deine Hände vor dem Brustkorb zusammen. Halte die Position solange wie für dich angenehm. Dann wechsle die Seiten. Wenn du fortgeschrittener praktizieren möchtest, kannst du auch den Lotusbaum durchführen, in dem du mit der rechten Hand von hinten an den rechten Fuß fasst. Dabei kannst du die Augen schließen.
Wirkungen
Der Baum verbessert nicht nur deine körperliche Koordination. Er verleiht dir darüber hinaus auch mentale Stabilität. Gleichzeitig hilft er dir selbstbestimmt und zielorientiert zu handeln. Auf energetischer Ebene wirkt sowohl harmonisierend als auch regenerierend.

Vrikshasana – der Baum

Lotusbaum: fortgeschrittene Variation
Mit dem Adler steht dir eine weitere einfache Gleichgewichtsübung zur Verfügung. Zu Beginn mag dir die Asana befremdlich erscheinen und es kann sogar passieren, dass du dich verkrampfst. Wichtig deshalb: nicht anspannen, sondern dich einfach in die Asana „fallen“ lassen. Dann wirst du spüren, dass du dich frei und erhaben wie ein Adler fühlst – auch in stressigen Alltagssituationen.
Anleitung
Komme zuerst in eine stabile Standposition. Dann verlagere dein Gewicht auf den linken Fuß. Umschließe jetzt dein linkes Bein mit dem rechten. Richte dich anschließend in einer leichten Hockposition ein, in dem du dein linkes Knie etwas nach vorn beugst. Lege abschließend den linken Ellbogen in den rechten Unterarm und führe die Handinnenseiten zusammen. Halte die Position solange wie für dich angenehm und wechsle dann die Seiten.
Wirkungen
Der Adler schult nicht nur deinen Gleichgewichtssinn, sondern verleiht dir zusätzlich Flexibilität in den Hüftgelenken, im Schulterbereich und in den Beinen. Außerdem entspannt und dehnt er deinen unteren Rücken. Er hilft dir dich auch mental zu stabilisieren und Dinge loszulassen. Energetisch wirkt der Adler ebenfalls harmonisierend und stabilisierend.

Garudasana – der Adler
Zugegeben – diese Asana kostet ein wenig Überwindung, aber ich kann dir versprechen: die Krähe sieht schwerer aus als sie tatsächlich ist. Wenn du die Grenze einmal überwunden hast, wirst du diese Übung lieben.
Anleitung
Komme zuerst in die Hocke. Lege die Hände etwa schulterbreit auseinander auf dem Boden ab, spreize die Finger und rotiere die Ellbogen leicht nach außen. Dann legst du die Knie auf den Oberarmen ab und wanderst mit dem Gesäß in Richtung Decke. Verlagere anschließend das Gewicht auf deine Hände und stell dich auf die Zehenspitzen. Wenn du stabil bist, dann löse allmählich die Füße vom Boden. Hebe nun den Kopf an und fixiere einen Punkt an der Wand vor dir in Augenhöhe, so dass du dein Gleichgewicht besser halten kannst. Um dir noch mehr Stabilität zu verleihen, kannst du auch die Zehenspitzen zusammenlegen. Halte diese Position für einige Atemzüge ohne dich dabei zu verkrampfen.
Wirkungen
Die Krähe verbessert nicht nur dein Gleichgewicht und stärkt deine Arme, sondern verleiht dir auch innere Balance. Gleichzeitig hilft sie dir über mögliche Zweifel und Ängste hinweg, denn es erfordert einiges an Vertrauen und Kraft, um sie zu meistern. Wenn du deine Füße vom Boden abhebst und auf den Händen balancierst, bekommst du automatisch mehr Selbstvertrauen und Mut.

Kakasana – die Krähe
Der Tänzer gehört zu den etwas fortgeschritteneren Gleichgewichtsübungen. Allerdings gibt es auch eine einfache Version, die sich perfekt für Einsteiger eignet.
Anleitung
Begib dich zuerst in eine stabile Standposition. Verlagere dein Gewicht auf das linke Bein, so dass du dein rechtes vom Boden lösen kannst. Dann umfasse mit der rechten Hand deinen Knöchel. Strecke deinen linken Arm nach oben aus zur Decke und lege dabei die Hand ins Chin-Mudra (Daumen und Zeigefinger berühren sich). Aktiviere die Körpermitte und spanne Bauch, Rücken sowie Gesäß an. Jetzt befindest du dich im senkrechten Tänzer. Du kannst diese Position für einige Atemzüge halten oder in die Waagerechte übergehen, wenn du fortgeschrittener praktizieren möchtest. Dafür ziehst du den Oberschenkel soweit wie möglich nach oben und beugst den Rumpf nach vorn. Achte hier darauf, dass die Hüfte nicht seitlich abgleitet, sondern parallel zum Boden ausgerichtet bleibt. Dann wechsle die Seiten.
Wirkungen
Wenn du den Tänzer regelmäßig praktizierst, hilft er dir nicht nur deine Körperhaltung zu verbessern, sondern bringt dein Leben zurück ins Gleichgewicht. Du kultivierst Durchsetzungsvermögen und verfolgst zielstrebig deinen Weg – stabil und gestärkt. Auch in turbulenten Zeiten bleibst du in deiner Mitte.

Senkrechter Tänzer als Einsteiger-Version

Natarajasana – der Tänzer
Die Zehenspitzenstellung sieht einfach aus, gehört aber zu den fortgeschrittenen Gleichgewichtsübungen. Du wirst merken, dass diese Asana vor allem für die Fußgelenke eine große Herausforderung darstellt. Dennoch lohnt es sich sie zu praktizieren.
Anleitung
Begib dich zuerst in die Hocke. Verlagere dein Gewicht auf den rechten Fuß und stütze dich beidhändig auf dem Boden ab, so dass du das linke Bein von der Matte lösen kannst. Den linken Fuß platzierst du anschließend auf dem rechten Oberschenkel. Dann löse die Arme vom Boden und versuche dein Gleichgewicht zu finden. Die Hände kannst du vor dem Brustkorb gegeneinander ins Anjali-Mudra pressen, um dich zu stabilisieren. Achte dabei darauf, dass dein linkes Knie keinen Bodenkontakt hat. Halte die Stellung solange wie für dich möglich und wechsle anschließend die Seiten.
Wirkungen
Die Zehenspitzenstellung verleiht dir Gleichgewicht im Außen und innere Ruhe. Sie fördert die Konzentration und hilft dir dich besser zu zentrieren. Auch in turbulenten Zeiten bleibst du in deiner Mitte und lässt dich durch Veränderungen im Außen nicht erschüttern.

Padangushtasana – die Zehenspitzenstellung
Fazit
Je häufiger du diese Yoga Übungen praktizierst, umso effektiver wirst du dein Gleichgewicht trainieren. Dabei musst du auch gar nicht viel Zeit einplanen. Täglich 5-10 Minuten reichen völlig aus. Investiere jetzt in deine Fitness, profitiere von den positiven Wirkungen im Alter.
Buchtipp:
„Stresssistent“
Du möchtest weitere effektive Übungen, um deine Koordination zu verbessern? Dann wirf gern mal einen Blick in mein Buch „Stresssistent – entspannt trotz Hamsterrad“. Hier erfährst du alles, was du über Stressbewältigung, Achtsamkeit und Yoga für eine bessere körperliche Fitness und mehr Entspannung im Alltag wissen möchtest.

Autorin: Fanny Patzschke
Apothekerin, zertifizierte Ernährungsberaterin & Fitnesstrainerin, Yogalehrerin, Vegan Raw Chef
- Sivananda, S.; Bretz, S. et. al.: Yogalehrer/innen Handbuch, 18. Auflage, Yoga Vidya Verlag, 2018
- Cánovas, R.: Anatomie und Krafttraining – Muskeln in Aktion, 1. Auflage, Meyer & Meyer Sport, 2015
- Schaible, H.-G.; Mutschler, E.; Vaupel, P.: Anatomie, Physiologie, Pathophysiologie des Menschen, 7. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 2015
- https://human.biodigital.com/edit?id=production/maleAdult/male_complete_anatomy_11 (abgerufen am 18.10.22)
- Long, R.: Yoga-Anatomie 3D: Band 1: Die wichtigsten Muskeln, 1. Auflage, Riva Verlag, 2010
- Long, R.: Yoga-Anatomie 3D: Band 2: Die Haltungen, 1. Auflage, Riva Verlag, 2011